Camino Francés

Pamplona - Santiago de Compostela

Hochmut kommt vor dem Fall. So habe ich mein Reisetagebuch betitelt.

Ohne grosse Vorbereitungen, ich war ja mit meinen 1'200km durch Frankreich bereits ein Profi , nahm ich im Herbst 2014, den letzten Teil des Jakobsweges unter die Füsse. Nach einem kühlen Sommer musste ich mich zuerst an die hohen Temperaturen von gegen 40 Grad am Schatten gewöhnen. Nur fand ich auf dem Weg praktisch keinen Schatten. Ich quälte mich durch die hohen Temperaturen und konnte diese mit genügend Flüssigkeit recht gut meistern. Die Landschaft Nordspaniens ist traumhaft schön. Fantastische Städte wie Burgos, Leon und Astorga lernte ich erst bei dieser Pilgerreise kennen.

Die enorme Hitze, welche ich körperlich gut verkraftete, setzt mir doch stärker zu als ich es wahrhaben wollte. Meine Füsse schwollen langsam, aber kontinuierlich an. Zudem waren meine Schuhe, welche mich bestens durch Frankreich trugen, durch das Alter hart geworden und passten sich deshalb den Füssen nicht mehr optimal an. Ich ignorierte die schmerzenden Füsse und hoffte, dass sich Schuhe den geschwollenen Füssen irgendwann anpassen würden. Doch diese geschah nicht, dafür reagierte mitten der Meseta mein rechter Fuss mit einer riesigen Blase, welche sich über die ganze Ferse ausbreitete. Ich musste wohl oder übel die Reise unterbrechen und nach Leon fahren, um mich im Spital behandeln zu lassen. Kleinmütig musste ich eingestehen, dass nicht ich die Meseta geschafft habe, sondern die Meseta mich. Dank dem guten Willen zweier jungen Ärztinnen und neuen Schuhen aus Ziegenleder, konnte ich nach vier Tagen meine Reise fortsetzen. Mit dem neuen Schuhwerk und einem grossen Brandwundenpflaster über die Ferse schaffte ich die Pilgerreise dann doch noch bis Santiago. Ich achtete aber ab diesem Vorfall viel sensibler auf meinen Körper und respektiere seine Signale.

Trotz der vielen Pilger, ich war einer unter mehr als Tausend, lernte ich einige von ihnen näher kennen. Sie kamen aus verschieden Religionen und Kulturen, aber alle wussten, über und um uns ist eine unsichtbare Macht, welche uns stets begleitet und beschützt. Wie oft hatte ich auf meinen grossen Pilgerreisen Schwierigkeiten. Auch wenn die Situation beinahe ausweglos erschienen ist, es hat sich immer wieder irgendeine Türe geöffnet. Ähnliche Situationen haben auch meine Pilgerfreunde erfahren.

Die Ankunft in Santiago nach einer so langen Pilgerreise kann ich kaum beschreiben. Dies ist ein ganz persönliches Erleben. Soviel kann ich jedoch schreiben, die Emotionen kochten bei mir über, obwohl ich eher ein nüchterner Typ bin.

Ist jetzt, da ich in Santiago angekommen bin, das Pilgern beendet? Nein, der Weg ist das Ziel und es muss nicht unbedingt der Jakobsweg sein. Vielmehr das ganz bewusste Gehen in der Natur, fernab vom Alltagsstress, bringt mir Erholung und Zufriedenheit. Ich habe auf den langen Pilgerreisen viele Gedanken gewälzt. Dabei habe ich etwas sehr Wichtiges erkannt und diese Erkenntnis wird sich bei künftigen Pilgertouren weiterhin stärken. Ich bin viel dankbarer geworden. Dankbar für alles was ich habe und was ich erleben darf. Ich bin auch viel zufriedener geworden, weil ich das, was ich habe, ästimieren und schätzen kann und viel weniger mit dem hadern muss, was ich nicht habe oder erreichen kann. Ich kann das Leben, so wie es ist, viel besser geniessen und mich daran erfreuen. Zugegeben, es gelingt mir nicht immer. Aber weitere Pilgerwanderungen helfen mir dabei, mein Bewusstein positiv zu sensibilisieren. Zudem habe ich gelernt, dass ich mich von vielen Zwängen, die mich einengen, problemlos befreien kann und das Leben trotzdem weiter geht. Also pilgere ich weiter, um mich am Leben noch mehr zu erfreuen.